Was ist koscher?

Von Jurek Schulz

In unserem Israel-ABC sind wir beim Buchstaben „R“ angelangt. Da liegt es nahe, einmal über „rein und unrein“ nachzudenken.
„Reinheit“ beziehungsweise „Unreinheit“ ist im Judentum ein vielschichtiger Begriff. Zu unterscheiden sind Essensunreinheit, Tempelunreinheit und moralische Unreinheit (vgl. Guido Baltes, Jesus, der Jude, und die Missverständnisse der Christen, S. 129). Ich beschränke mich in diesem Artikel auf die Speiseordnungen, die Guido Baltes treffend als keine „jüdischen, sondern biblische Ordnungen“ bezeichnet.
Gott, der Herr, legt Israel in 3. Mose 11,1-43 und 5. Mose 14,3-21 einen umfangreichen „Speiseplan“ vor. Darin werden die zur Nahrung gebotenen und verbotenen Tiere aufgelistet. Bekannt ist, dass es Juden verboten ist, Schweinefleisch zu essen. Doch auf der Verbotsliste stehen etliche weitere Tiere, so dass die Nahrungsmittel tierischen Ursprungs stark eingegrenzt werden. Ebenso ist der Hüftmuskel eines Tieres nach 1. Mose 32,32-33 vom Verzehr ausgeschlossen. Mehrere Male wird betont, dass jede Form des Blutgenusses für Israel strengstens verboten ist (3. Mo. 3,17; 7,26; 17,10; 5. Mo. 12,16).
Lebensmittel, die nach dem jüdischen Speisegesetz erlaubt sind, bezeichnet man allgemein als „koscher“. Heute wird im streng religiösen Judentum zusätzlich eine strikte Trennung von milchigen und fleischigen Speisen eingehalten, die auf die Aussagen in 2. Mose 23,19 und 34,26 sowie 5. Mose 14,21 zurückgeht. Dort wird Israel verboten, ein Jungtier in der Milch seiner Mutter zu kochen.

Heiligung durch das Essen
Beim Bearbeiten dieses Themas kam mir ein Erlebnis in den Sinn, das zwar schon einige Zeit zurückliegt, das ich aber nie vergessen werde. Ich fuhr einmal die ganze Nacht hindurch mit dem Auto in den Süden Deutschlands; frühmorgens um 7.30 Uhr kam ich in einer bayerischen Stadt an. So richtig hungrig, suchte ich irgendwo eine Möglichkeit, etwas zu essen und einen guten Kaffee zu bekommen. Da erblickte ich eine geöffnete Gaststätte, die den Gast auf einem Schild zu einer „Bayerischen Brotzeit“ einlud. Ohne mir Gedanken zu machen, was diese Mahlzeit beinhalten könnte, trat ich ein und bestellte in froher Erwartung ein solches Frühstück. Kurze Zeit später servierte mir der Kellner ein großes, reich beladenes Holzbrett. Doch, oh Schreck, auf dem Brett lagen je eine dicke Scheibe Blut-, Presskopf- und Sülzwurst, dazu eine Kante Bauernbrot. Statt eines Kaffees stand daneben ein Glas Bier. Erschrocken schaute ich den Kellner an und fragte ihn höflich, ob er denn nicht auch noch etwas anderes zu essen und zu trinken habe. Daraufhin fragte er mich in seinem breiten Dialekt: „Sie sind wohl nicht von hier, nicht wahr?“ Ich bestätigte es, entschuldigte mich und bekam zum Glück noch etwas „Koscheres“, um meinen hungrigen Magen zu füllen.
Mit seiner Frage traf der Kellner den Kern, worum es bei den Reinheitsordnungen geht. Denn Gottes Begründung für die Speiseordnungen lautet: „Ich bin der HERR, euer Gott. Darum sollt ihr euch heiligen, sodass ihr heilig werdet, denn ich bin heilig; und ihr sollt euch nicht unrein machen“ (3. Mo. 11,44), und: „Denn du bist ein heiliges Volk dem HERRN, deinem Gott, und der HERR hat dich erwählt, dass du sein Eigentum seist, aus allen Völkern, die auf Erden sind“ (5. Mo. 14,2). Der hessische Landesrabbiner Daniel Neumann erklärt, die Speisegesetze folgten einer eigenen Logik. Denn es gebe in der Schrift keine eindeutigen Erklärungen für die Zuteilung der Tiere zu den gebotenen beziehungsweise verbotenen. Gott möchte den Menschen durch die Selbstbeherrschung zur Heiligung erziehen, so Neumann in der Jüdischen Allgemeinen vom 12. Februar 2015.
Die biblischen Speiseordnungen sollen Israel zur Selbstbeherrschung und zur Absonderung beziehungsweise zur Unterscheidung gegenüber anderen Völkern führen. Gott möchte, dass dadurch deutlich wird, dass dieses Volk unter göttlicher Autorität steht.

Müssen alle koscher leben?
Zum Schluss stellt sich natürlich die Frage, wie der Umgang der Christen mit den Speiseordnungen aussehen soll. Auch das Apostelkonzil, das in der Mitte des 1. Jahrhunderts in Jerusalem tagte, beschäftigte sich mit diesem Problem. Die Urgemeinde war zu dieser Zeit von den jüdischen Jesusnachfolgern geprägt, doch es kamen auch nichtjüdische Gläubige hinzu, für die geklärt werden musste, welche jüdischen Gebote für sie gelten sollten und welche nicht. Das Apostelkonzil legte fest (Apg. 15,29), die nichtjüdischen Gläubigen sollten sich vom Götzenopferfleisch, vom Blut und vom Erstickten fernhalten. Über die Auslegung dieser Regelung gibt es seither Diskussionen. Doch vielleicht sollten wir uns in dieser Frage nicht über Details den Kopf zerbrechen, sondern vielmehr den Blick aufs Wesentliche richten: Dass Gott durch unser praktisches Leben – auch unser Essverhalten – geehrt wird und Menschen gerettet werden. Paulus kann uns darin ein Vorbild sein (vgl. 1. Kor. 9,19-23).

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