Orte in Israel – einst, heute und in der Zukunft

Von Jurek Schulz

Das ABC der Ortsnamen Israels führt uns auch an weniger bekannte Orte, wie etwa Deganya, wo prägende Persönlichkeiten der israelischen Geschichte zuhause waren. Die Bedeutung von En Gedi reicht noch viel weiter zurück – und auch in die Zukunft.
Vielen Touristen aus aller Welt ist Yardenit ein Begriff, die am Ausfluss des Jordans aus dem See Genezareth angelegte Taufstelle, eigentlich eine Oase mit wunderschönen Blumen, Bäumen, Hecken und Wiesen. In unmittelbarer Nähe liegt Deganya, der erste Kibbuz Israels. Diese am 28. Oktober 1910 gegründete Genossenschaftssiedlung gibt schon mit ihrem Namen Zeugnis von der Veränderung, die die Landschaft um den See Genezareth seit der Gründung des ersten Kibbuz erfahren hat. „Deganya“ stammt vom hebräischen Wort „Dagan“ ab, was sowohl „blaue Distel“ wie auch „Getreide“ bedeutet. Als das Land noch nicht intensiv kultiviert wurde, herrschten hier Disteln vor. Heute reihen sich Getreidefelder und Kulturen mit Zitrusfrüchten aneinander.
Die Gründer dieses ersten Kibbuz waren zionistische Juden aus Weißrussland. Der Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts herrschende Antisemitismus weckte in zahlreichen europäischen Juden die Sehnsucht nach „Zion“, nach einem eigenen Land. So kam es zu mehreren zionistischen Kongressen, auf denen die Fragen nach einer jüdischen Heimat erörtert wurden.
In diesem Zusammenhang schlug auch die Geburtsstunde der Kibbuzbewegung. Deganya war das erste in dieser Weise selbst verwaltete Dorf mit gemeinsamem Eigentum und wird daher als „Mutter“ der weiteren Kibbuzgründungen betrachtet. Heute gibt es etwa 270 Kibbuzim mit bis zu 1700 Einwohnern, in denen knapp zwei Prozent der Israelis leben. Zur Zeit der Staatsgründung waren es etwa acht Prozent der Israelis und damit deutlich mehr.
Auf dem neunten zionistischen Kongress in Hamburg (26.-31. Dezember 1909) beschlossen die rund 600 Delegierten, die genossenschaftlichen Kibbuzim zu fördern. Als Agrargenossenschaften sollten sie im über weite Strecken öden Palästina durch die landwirtschaftliche Kultivierung grüne Oasen schaffen. Daneben sollten sie auch strategisch-militärische Bedeutung haben, indem sie als Stützpunkte zur Verteidigung gegen Angriffe dienten.

Prägende Persönlichkeiten
In Deganya lebten und arbeiteten verschiedene wichtige Wegbereiter des Staates Israel. Im Kibbuz gibt es ein Museum, das an den zionistischen Schriftsteller Aharon David Gordon (1856-1922) erinnert, einen der Mitbegründer des Kibbuz. In seinen zahlreichen Schriften vertrat er einen ideologischen Zionismus, der die jüdische Arbeiterbewegung stark beeinflusste. Gordon glaubte, dass das jüdische Volk nur durch Bestrebungen des Einzelnen, sich selbst zu ändern, gerettet werden könnte. Seine Bücher gehören noch heute zu den wichtigen hebräischen Werken.
Gordons Schriften bewegten Golda Meir (1898-1978), die spätere israelische Premierministerin, dazu, als junge Frau von der Ukraine nach Palästina auszuwandern. Meir lebte daraufhin im galiläischen Kibbuz Merchavia, der in der Jesreelebene liegt und am 24. Januar 1911 gegründet wurde.
Eine andere wichtige Persönlichkeit, die in Deganya zuhause war, war Joseph Trumpeldor (1880-1920). Vor seiner Emigration war er der erste jüdische Offizier in der russischen Armee gewesen. Während des Ersten Weltkriegs setzte er sich für die Gründung einer jüdischen Armee ein, die als Grundstein der „Zahal“, der israelischen Verteidigungsstreitkräfte, betrachtet wird. Trumpeldor starb in einem Kampf gegen Araber, als er eine Siedlung im Norden Galiläas verteidigte. Seine letzten Worte gelten bis heute als Symbol des jüdischen Willens zur Selbstverteidigung: „Macht nichts, es ist gut, für unser Land zu sterben.“ Dieser Satz mag für heutige Ohren extrem klingen; verständlich wird er auf dem Hintergrund des erfahrenen Antisemitismus und der daraus erwachsenen Sehnsucht nach einer Heimstätte für das jüdische Volk.
In der jüngeren Geschichte erlangte Moshe Dajan (1915-1981) Berühmtheit, der in Deganya geboren wurde. Dajan war israelischer General und Verteidigungsminister und wurde bekannt, weil unter seiner Führung am 7. Juni 1967 der Ostteil Jerusalems erobert und die Teilung der Stadt aufgehoben wurde.

100 Jahre Deganya
Mit dem 100. Geburtstag von Deganya wird in diesem Jahr auch die ganze Kibbuzbewegung gefeiert. Sie hat unzählige Israelis geprägt und sich um die Kultivierung des Landes verdient gemacht. Daher besucht Staatspräsident Shimon Peres im ganzen Land die Kibbuzim. Bei dieser Gelegenheit begegnete ich ihm im April mit einer Reisegruppe im Kibbuz Mashabei Sadeh. Zu unserer Freude ergab sich sogar die Gelegenheit zu einem kurzen Austausch mit ihm. Er freute sich sehr, dass wir als Deutsche, Schweizer und Österreicher in Kibbuzgästehäusern übernachteten.

Seit 5000 Jahren von Menschen besucht
Ganz andere Berühmtheiten waren in alter Zeit in En Gedi anzutreffen, rund 150 Kilometer weiter im Süden der Jordansenke. Das 1. Samuelbuch schildert in Kapitel 24, wie es in der Gegend von En Gedi zu einer schicksalsträchtigen Begegnung zwischen König Saul und dem späteren König David kam. Aus Eifersucht wollte König Saul David, den Gott zu seinem Nachfolger bestimmt hatte, töten. Auf seiner Flucht versteckte sich David in En Gedi, verfolgt von Saul, der ein Heer von dreitausend Soldaten anführte. Mit seinen Leuten in En Gedi angekommen, begab sich Saul in eine der vielen Höhlen, um einem dringenden Bedürfnis nachzukommen (dies ist die Bedeutung von „Saul bedeckte seine Füße“, 1. Sam. 24,4).
Was Saul nicht wusste: David hatte sich mit seinen Leuten genau diese Höhle als Versteck ausgewählt. Da er unentdeckt geblieben war, bot sich David in diesem Moment die einmalige Chance, seinen Verfolger zu töten. Doch stattdessen schnitt er Saul ein Stück Stoff von seinem Gewand ab, während dieser sich erleichterte. Das wurde wenig später für Saul zum Beweis, dass David gerechter war als er selbst, weil er ihn nicht getötet hatte, obwohl er die Gelegenheit dazu gehabt hatte. Saul bereute, dass er David verfolgt hatte, und sprach prophetisch von Davids Königtum: „Ich weiß, dass du König werden wirst und dein Königtum bestand haben wird“ (1. Sam. 24,21).
Die ältesten Spuren menschlicher Besiedlung in En Gedi reichen aber noch weiter zurück, bis ins 4. Jahrtausend vor Christus. In jener Zeit war vermutlich am Toten Meer noch bedeutend mehr Niederschlag zu verzeichnen als heute, so dass das Klima viel feuchter war. Alte Zeichnungen aus dieser Epoche zeigen Boote und Angler auf dem und am Toten Meer.
En Gedi wird in der Bibel schon in Josua 15,62 als die dem Stamm Juda zugeordnete Wüstenstadt erwähnt. Da das Buch vor 1050 v. Chr. verfasst gewesen sein muss, war es die Zeit, in der die bis heute andauernde Trockenheit noch nicht eingesetzt hatte.
Dass En Gedi ein fruchtbarer Ort war, zeigt auch eine Stelle im Hohenlied, wo von den Weinbergen von En Gedi die Rede ist (Hoh. 1,14). Eine Blütezeit der besonderen Art steht der Gegend um das Tote Meer jedoch noch bevor.

En Gedi und das 1000-jährige Reich
In Hesekiel 47,1-12 zeigt Gott seinem Propheten in einer Vision, wie sich eines Tages ein Wasserstrom von Jerusalem ins Jordantal bis zum Toten Meer ergießt. Das Wasser fließt vom Tempel unter der Schwelle des Osttores heraus und in südlicher Richtung ins Kidrontal, das in die Jordansenke mündet. Das Osttor, auch Goldenes Tor genannt, ist verschlossen, seit es der osmanische Herrscher Süleyman beim Wiederaufbau der Stadtmauern im 16. Jahrhundert zumauern ließ (in Hesekiel 44, 1-2 wird dies übrigens vorhergesagt).
Der Strom aus dem Tempel wird das Tote Meer wiederbeleben. Dort, in dem „lebendigen Wasser“, werden sich dann wieder viele Fische aller Art tummeln. Und die Fischer werden von En Gedi bis nach En Eglajim die Netze spannen, um im Toten Meer zu fischen. En Eglajim liegt heute an der nordwestlichen Spitze des Gewässers.
So ist diese Oase En Gedi seit Jahrtausenden von Bedeutung und wird es auch im 1000-jährigen Reich, also in der Zukunft, wieder sein.

Ein Paradies in der Wüste
Heute ist En Gedi vor allem ein Anziehungspunkt für Touristen. Wer sich am Westufer des Toten Meeres auf eine Wanderung begibt, kann in En Gedi ein Naturparadies entdecken. Auf 400 Metern unter Normalnull herrscht ein Wüstenklima, das den Wanderer nach frischem Wasser lechzen lässt. Welche Freude, wenn man in der uralten Oase von En Gedi ankommt und dort, wie in einem Märchen, Quellen, Wasserfälle und eine vielfältige Tierwelt antrifft. Neben seiner üppigen Vegetation bietet der zerklüftete, von Bergen umgebene Canyon natürliche Becken, die zu einem erfrischenden Bad einladen. Das alles macht diesen Naturpark zu einem beliebten Ziel für israelische und ausländische Touristen gleichermaßen.

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