Jesus – ein ganz normaler jüdischer Junge

Von Jurek Schulz

Das Leben Jesu begann, wie es die Tora vorschreibt: mit Beschneidung und Weihung im Tempel. Doch es folgte ein außergewöhnlicher Segen. 
So manch ein Jude hat schon beim Anblick der Beschneidung eines Knaben weiche Knie bekommen und musste sich die ironische Bemerkung anhören: „Als Baby warst du tapferer.“ 1. Mose 17,10-14 gebietet, dass die männlichen Nachkommen Abrahams am achten Tag an der Vorhaut des Gliedes beschnitten werden. Dies geschah und geschieht im Rahmen eines großen Festes.

Aufnahme ins Bundesvolk
Die Beschneidung ist die „sichtbare Gewährleistung“, dass der Bund Abrahams der neuen Generation weitergegeben wurde. Jedes neugeborene Kind jüdischer Eltern ist mit der Geburt Jude. Mit der Beschneidung (Hebr. „Brit Mila“, d.h. Bund der Beschneidung) wird die Zugehörigkeit zum Bundesvolk „sichtbar“ gemacht.
Daher war auch die Beschneidung Jesu ein wesentlicher Bestandteil der Erfüllung der Ordnung Gottes, wie es die Tora vorschrieb. Mit der Beschneidung ist auch die offizielle Namensgebung verbunden, damals wie heute (Lk. 1,59; 2,21).

Zwei Opfer
Wir lesen in Lukas 2,22, dass die Eltern Jesu nach den Tagen der Reinigung der Maria in den Tempel in Jerusalem gingen. Dabei befolgten sie zwei Gebote Gottes.
Als Erstes musste Maria ein Opfer darbringen für sich selbst, um nach der Geburt wieder rituell rein zu werden. Während 40 Tagen nach der Geburt eines Jungen oder 80 Tagen bei einer Tochter lebte die Mutter isoliert und zurückgezogen mit dem Kind. Danach musste sie dem Priester ein Opfer bringen: ein einjähriges Schaf zum Brandopfer und eine Taube oder Turteltaube zum Sündopfer. Wenn sie sich das nicht leisten konnte, reichten auch zwei Tauben oder Turteltauben (3. Mo. 12).
Als Zweites ging es darum, Gott, dem Herrn, das Baby als Erstgeburt von Maria zeremoniell darzubringen und zu weihen. Jede männliche Erstgeburt von Mensch und Tier gehört Gott (2. Mo. 13,2). Die Erstgeburt der Menschen kann durch ein „Loskaufopfer“ ausgelöst werden (4. Mo. 18,16). Dazu soll das Kind im Tempel Gott geweiht werden.

Gehorsam trotz Armut
Zwei Fakten fallen auf: Erstens war Jesus tatsächlich das erste Kind Marias, weil sie die Erstgeburt auslösten. Zweitens sieht man, dass Josef und Maria nur das Mindestopfer bringen konnten, das für die Reinigung der Mutter geboten war, zwei Tauben. Das heißt im Klartext: Sie brachten ein Armenopfer dar.
Die Geschenke der Weisen aus dem Morgenland (Gold, Weihrauch und Myrrhe) bekamen die Eltern wahrscheinlich erst nach der Namensgebung, also zu einem späteren Zeitpunkt. Diese Gaben boten dann eine finanzielle Grundlage für die Flucht nach Ägypten und das Überleben dort.
Hieraus lernen wir: Maria und Josef bekräftigten durch ihren Gehorsam gegenüber den Geboten ihren Glauben an Gott. Dadurch dass sie von dem Wenigen, was sie besaßen, ein Opfer brachten, zeigten sie gelebtes Gottvertrauen.
 
Die prophetische Segnung
Als Maria und Josef im Tempel waren, begegnete ihnen Simeon, ein frommer und gottesfürchtiger Mann. Er nahm das Kind auf seinen Arm und segnete es (Lk. 2,29-32). Noch heute werden in der jüdischen Gemeinschaft die erstgeborenen Jungen erst zeremoniell „ausgelöst“ und dann gesegnet. Dazu wird ein Nachkomme Aarons gesucht, dem das Baby in den Arm gelegt wird, damit er den Segen über das Kind spricht. So können wir annehmen, dass Simeon vielleicht ein Nachkomme Aarons, ein Cohen, war.
Der heutige christliche Brauch der Kindersegnung im Rahmen eines Gottesdienstes lehnt sich möglicherweise an diese jüdische Tradition an. Ein Kind zu segnen, ist das Beste, was man für es tun kann. 
Die Segnung Jesu ist einzigartig und hat prophetischen Charakter. Denn der Inhalt der Worte des alten Mannes Simeon über dieses Baby sprengte alles, was jemals Menschen prophetisch über ein Kind ausgesagt haben: „Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, den du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht, zu erleuchten die Heiden und zum Preis deines Volkes Israel“ (Lk. 2,29-32).

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