Ein weiser Rat im Angesicht des Todes:

„Prediger“ neu entdeckt
Von Jurek Schulz

Tagein tagaus sind wir dem schier endlosen Informationsfluss der allgegenwärtigen Medien ausgesetzt, die uns eine Welt zunehmender Ungerechtigkeit und Brutalität vor Augen führt. Während ich über dieser bedrohlichen Entwicklung grübelte, entdeckte ich das alttestamentliche Buch „Prediger“ ganz neu.

Der Hintergrund des Buches

Das Werk des Predigers Salomo (Kohelet) wird nach seiner Einleitung im ersten Satz bezeichnet und bedeutet „Versammelnder“. Ob das eine Amtsbezeichnung für jemanden war, der eine Versammlung einberuft, wissen wir heute nicht mehr. Aus Prediger 1,1.12 kann geschlossen werden, dass König Salomo der Verfasser war, vielleicht in den späteren Jahren seines Wirkens, ca. 935 v. Chr. Die Rabbinen allerdings halten jemanden aus dem Umfeld von König Hiskia für den Autor (bBB15a). In den zwölf Kapiteln des Buches sind die Lebensweisheiten und Ratschläge in einem Frage- und Antwortstil verfasst, bei denen es um Gott und die Vergänglichkeit des Lebens geht.

Der Inhalt stellt die Frage nach dem Sinn des Lebens

Kein anderes Buch der Bibel beschreibt die Sinnlosigkeit des Daseins mit all seinem Schaffen im Angesicht des Todes. Alles Leben und Wirken auf der Erde ist letztlich vergänglich, ja, „ein Haschen nach Wind“, wie er es neun Mal erklärt, und mündet in den Tod. Da diese Tatsache unumkehrbar ist, stellt der Prediger wiederholt die Sinnfrage, die ihn in die Ehrfurcht Gottes treibt (Pred. 5,6). So ruft er zur Hingabe an Gott und zum Halten seiner Ordnungen auf (Pred. 12,13-14).

Alles Streben nach Ergründung von Leid, Ungerechtigkeit und Mühe des irdischen Daseins sowie der Versuch der Zuordnung von Reichtum und Vergnügen führt zu dem Ergebnis, dass der Mensch Gottes Wirken nie gänzlich verstehen kann. Daher wird er aufgefordert, sich am Leben zu erfreuen, das ihm noch bleibt.

Hier – ebenso wie im Buch Hiob – werden Leid und Tod jedoch nicht deterministisch gedeutet, d. h. dass immer ein kausaler Zusammenhang bestehen muss zwischen dem, was wir tun, und dem, was wir erleiden. Wie die Freunde Hiobs schlechte Ratgeber waren, indem sie deutlich machten: „Entweder ist Gott ungerecht, sonst würde der Gläubige nicht leiden, oder der Mensch ist schuldig geworden und die Leiden sind eine Strafe Gottes“, so macht der Prediger deutlich, dass der Tod das Schicksal aller Menschen ist, unabhängig davon, wer sie sind und was sie taten.

Daher erteilt der Prediger den seelsorgerlichen Rat, das Leben in Achtung vor Gott zu genießen (Essen, Trinken, Lieben, Arbeiten), denn im Tod ist das nicht mehr möglich (Pred. 9,7-10).

Für die Rabbinen war es das Buch, „das die Hände verunreinigt“. D. h. in biblischer Zeit wurde dem Leser des Buches das „Hebeopfer“ (Challa) untersagt. Sie sahen im Buch häretische Aussprüche (d. h. manche Aussagen widersprachen ihrer offiziellen Lehrmeinung), die es zu verbieten galt. Später änderten sie ihre Meinung und entdeckten im Mittelalter tiefe geistliche Weisheiten, die das Lebensgefühl der Juden in Zeiten der Not und Verfolgung prägten.

Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden

(Ps. 90, 12)

Es ist das einzige Buch der Bibel, das eine derart umfangreiche Reflektion über den Tod besitzt. Im Tod sind alle Menschen gleich. In diesem Punkt sind sie nicht besser dran als die Tiere, die auch sterben müssen (Pred. 3,19-22).

Durch Kohelet wird deutlich, dass der Mensch sein Schicksal nicht selbst in die Hand nehmen, und das „Schicksal“ bzw. der Tod ihn jederzeit treffen kann. Daher sollen wir, bis es so weit ist, nicht dem Pessimismus verfallen, sondern fröhlich und zufrieden sein mit dem, was wir haben, und das, solange wir leben.

Der Schreiber setzt nicht nur die Existenz Gottes voraus, sondern hat auch die Gewissheit, dass eines Tages alles vor das Gericht Gottes muss (Pred. 12,13).

Erst danach wird eine endgültige Gerechtigkeit herrschen. Bis dahin ist es sein Anliegen, Ratschläge für unser irdisches Leben zu geben.

Im Kohelet findet sich 40 Mal die hebräische Gottesbezeichnung „Elohim“, die u.a. im Bezug auf Gott als Schöpfer Verwendung findet. Damit wird unterstrichen, dass die Seele des Menschen eines Tages zu dem Schöpfergott zurückkehrt. Die Sehnsucht nach Gott ist ausnahmslos jedem Menschen ins Herz gegeben (Pred. 3,11), daher dürfen wir uns am Irdischen als Gabe Gottes erfreuen.

Das Buch gehört zu den „Megillot“ (Hoheslied, Rut, Klagelieder, Prediger und Ester), und wird besonders an Sukkot (Laubhüttenfest) gelesen. Die Begründung der Rabbinen ist:

  1. dass an Sukkot das Leben in Laubhütten dem unsicheren und unsteten Leben unserer Existenz gleichkommt,
  2. die instabile Hütte die Zerbrechlichkeit alles Materiellen symbolisiert.

Insofern halten wir fest: Inmitten des Chaos um uns herum fordert uns der Prediger Salomo 12 Mal auf: „Ehre Gott und halte seine Thora“, denn alles wird eines Tages vor dem Gericht Gottes bewertet werden“ (Pred. 3,17; 5,5; 8,12-13; 11,9; 12,14 etc.).

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