Von Jurek Schulz
Ich stehe auf dem Ölberg, der mir aus der Bibel so vertraut ist. Doch was ist das Besondere an diesem Ort?
Dieser „Berg“, eigentlich eher ein Hügelzug, liegt an seiner höchsten Erhebung 827 Meter über dem Meeresspiegel. Gibt es da nicht schönere, höhere und majestätischere Berge? Warum ist er so bedeutungsvoll?
Der „Berg im Osten“, wie er auch genannt wurde (Sach. 14,4), ist genau genommen eine Kalksteinbergkette mit insgesamt drei runden Kuppen. In biblischer Zeit war die gesamte Anhöhe dicht mit Palm- und Ölbäumen bewaldet, so dass dort die Zweige für das Laubhüttenfest geholt wurden (Neh. 8,15). Doch leider ließen die Römer im Jüdischen Krieg (66-70 n. Chr.) auf der Anhöhe alle Bäume abholzen. Daher können die Ölbäume, die heute dort zu sehen sind, keine 2000 Jahre alt sein.
Der Scopus
Die nördliche Kuppe der Hügelkette wird Scopusberg genannt. Auf ihm wurde bereits 1925 die Hebräische Universität gegründet, später das Hadassah-Krankenhaus (in Ein Kerem befindet sich die neuere Zweigstelle). Der griechische Name „Scopus“ bedeutet so viel wie „Aussicht“, und tatsächlich hat man einen wunderbaren Blick auf die Altstadtmauern Jerusalems. Im Jüdischen Krieg lagerten 70 n. Chr. die Römer dort, und auch die Kreuzfahrer errichteten 1096 n. Chr. auf dem Scopus ihre Lagerstätten.
Die südliche Kuppe des Höhenzugs heißt „Berg des Verderbens“ oder auch „Berg des Ärgernisses“. Dieser ca. 740 Meter hohe Hügel soll der Überlieferung nach jener Ort sein, wo der Hohepriester Kaiphas den Entschluss fasste, Jesus töten zu lassen (Joh. 11,47-53). In früherer Zeit muss es diese so lieblich erscheinende Kuppe gewesen sein, auf der Israel seinem Götzendienst frönte. Unter König Salomo wurden sowohl den Kriegs- und Wettergottheiten Kemosch und Milkom als auch der Fruchtbarkeitsgöttin Astarte Altäre errichtet (1. Kön. 11,7). Es sollten rund 300 Jahre vergehen bis zur Reform Josias, die diesem grausamen Götzenkult vor ca. 2440 Jahren ein Ende bereitete (2. Kön. 23,13).
Der Ölberg
Wenn die Bibel vom „Ölberg“ spricht, ist die mittlere gegenüber dem Tempelplatz gelegene 812 Meter hohe Kuppe gemeint, die damit rund 67 Meter über den Berg Moria, den Tempelberg, hinausragt. Daher werden heute die schönsten Fotos von Jerusalem meistens von dieser Warte aus aufgenommen. Auf dem Ölberg trugen sich die verschiedensten biblischen Begebenheiten zu, denn dieser Hügel lag zwar etwa 120 Meter über dem Kidrontal, aber nur einen „Sabbatweg“, d. h. die für religiöse Juden erlaubte Wegstrecke (ca. 1 km), vom Tempelplatz entfernt (Apg. 1,12).
Vor rund 3000 Jahren zog sich Israels König David auf den Ölberg zurück, um dort ungestört seinem Kummer darüber Ausdruck zu verleihen, dass sein eigener Sohn Absalom ihn umbringen wollte (2. Sam. 15,30). An diesem Ort erschien vor etwa 2600 Jahren die Herrlichkeit Gottes dem Propheten Hesekiel (Hes. 11,23-24).
Der Ölberg war auch einer der Orte, an die sich der Herr Jesus öfters zurückzog. Dort traf er sich mit seinen Jüngern, betete und machte prophetische Aussagen (Mt. 24,3ff.; 26,30-36; Joh. 18,1-2). Auf dem Ölberg und am Osthang des Ölbergs, in Betanien, übernachtete er gern bei seinen Freunden Martha, Maria und Lazarus (Lk. 21,27; Mt. 21,17). Vom Ölberg kommend durch das Kidrontal auf dem Weg, der heute noch zum Löwentor führt, begann der Herr seinen Einzug nach Jerusalem (Mt. 21,1ff.; Mk. 11,1ff.). Später wurde er im Garten Gethsemane gefangen genommen (Joh. 18,1; Mt. 26,36.47ff.). Nach seiner Auferstehung versammelten sich die Jünger auf dem Ölberg und erlebten von dort seine Aufnahme in den Himmel (Apg. 1,9-12).
In einer prophetischen Schau kündigten die Propheten den letzten Krieg der Menschheit am Hang des Ölbergs an, im „Tal Joschafats“ (d. h. „der Herr richtet“), dem Kidrontal. Aber auch die Ankunft des Messias auf dem Ölberg zur Errichtung seines tausendjährigen Reiches weissagten sie (Joel 4,2.12; Sach. 12–14).
Daher lassen sich seit Jahrtausenden Juden am Hang des Ölbergs beerdigen, um so bei der Ankunft des Messias als Erste am Schauplatz des Geschehens zu sein. Übrigens gehörte der Ölberg von 1948 bis 1967 zu Jordanien. Leider wurden in dieser Zeit zum Teil Jahrtausende alte Gräber zerstört.
Insgesamt wurden sieben Kirchen von verschiedenen Denominationen auf dem Ölberg gebaut. Interessant ist, dass auch Israelfreunde verschiedene Gebetshäuser auf dem Ölberg errichtet haben, um rund um die Uhr für Israel zu beten. Bei meinen Israelgruppenreisen ist der Besuch dieses besonderen Ortes, an dem der Herr Jesus so oft war, stets fester Bestandteil. Sie sind herzlich eingeladen, diesen Ort mit mir näher kennen zu lernen!