Der Ort, an dem Sonne und Mond stillstanden

Von Jurek Schulz

Latrun, ein Touristen eher unbekannter Ort, kam im September wegen Vandalismus in die Schlagzeilen der Weltpresse.
Anfang September 2012 wurde die Eingangstür des französischen Trappisten-Klosters Latrun – zwischen Tel Aviv und Jerusalem gelegen – in Brand gesteckt und die Wände mit christenfeindlichen Parolen beschmiert. Von den Tätern fehlt bislang jede Spur.
Wer heute von Tel Aviv auf der Autobahn 1 nach Jerusalem fährt, sieht links gegenüber von Latrun das Ayalon-Tal. Dort soll Josua gegen ein übermächtiges feindliches Heer von fünf Königen gekämpft haben, wie Josua Kapitel 10 schildert. In seiner Not bat er um Gottes Hilfe: Sonne und Mond sollten im Tal Ayalon nicht untergehen, bis er seine Feinde besiegt habe (Jos. 10,12-13). Gott erhörte sein Gebet. Im Talmud ist zu lesen, dass die Wolken sich zerstreuten, so dass die Sonne bei Tag und der Mond bei Nacht alles hell erleuchteten. Dadurch konnte Josua mit seinem Heer die Feinde aufspüren und besiegen.

Ort des Kampfes
Nicht nur Ayalon, sondern noch viele weitere Orte dieser Küstenregion sind uns von der Schrift her bekannt, so z. B. Aseka, Gibeon, Kirjat-Jearim oder Lachisch. Die etwa 43 Kilometer lange und 16 Kilometer breite hügelige Ebene zwischen dem Mittelmeer und den judäischen Bergen wurde Schefela genannt und war der Wohnort der Philister. Der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus (ca. 37-100 n. Chr.) beschreibt die Schefela und vor allem das Tal Ayalon als Ort schwerer kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen Israel und den Philistern.
Dieser Landstrich war über Jahrhunderte hinweg wiederholt Zeuge verheerender Schlachten, besonders in der Makkabäerzeit (165 v. Chr.), in der Kreuzfahrerperiode (1099-1291 n. Chr.) und im Unabhängigkeitskrieg Israels (1948).
In der britischen Mandatszeit war 1943 westlich des Klosters Latrun eine Polizeistation errichtet worden, die einer Festung glich und heute ein Militärmuseum mit mehr als 200 Panzern beheimatet. Unzählige Juden wurden damals dort inhaftiert. So auch die 1275, die auf der Flucht vor den KZs versuchten, illegal mit dem Schiff „San Dimitrio“ nach Haifa zu kommen. Das Schiff wurde von den Briten geentert und die Passagiere inhaftiert. Die jüdischen Widerstandskämpfer nannten das Schiff „Latrun“.
Nach dem Rückzug der Briten am 14. Mai 1948 wurde die Polizeistation den arabischen Truppen übergeben und damit der Grenzverlauf zwischen Israel und Jordanien festgelegt. Da jedoch die Straße durch das Ayalon-Tal der einzige Zugang zum belagerten Westjerusalem war, musste die jüdische Armee in mehreren verlustreichen Anläufen, mit mehr als 1200 Toten, diese Verbindung zurückerobern. Doch erst ab dem 7. Juni 1967 wurde Latrun und damit der Zugang zu Jerusalem endgültig freigekämpft.
In der Zwischenzeit hatte die israelische Armee etwas weiter südlich die sogenannte „Burma-Straße“ errichtet, eine 26 Kilometer lange und fünf Meter breite auf alten Wanderwegen erbaute Behelfsstraße. Dadurch war die dringend notwendige Versorgung der Bewohner Westjerusalems gesichert. Wer heute auf dem „Israel Trail“ wandert, sieht ab Latrun einen Teil des alten Verlaufs der „Burma-Straße“, einen 12 Kilometer langen Abschnitt, der als Wanderweg und historischer Lehrpfad ausgeschildert ist.

Ort der Versöhnung
Die landschaftliche Idylle um Latrun lässt den Betrachter nahezu vergessen, wie viel Blut hier geflossen ist, und wie viele Menschenleben hier im Laufe der Jahrtausende ausgelöscht wurden. In einem Teil der alten Kreuzfahrerfestung lebt am Rande des Geländes des Trappisten-Klosters eine Gemeinschaft der „Jesus-Bruderschaft“ (Gnadenthal). Seit fast 40 Jahren treten die Brüder für den Dienst der Versöhnung zwischen Juden und Arabern ein. Die Kommunität ist schon für viele im Land zu einer Oase des Segens geworden. Damit macht sie der eigentlichen Bedeutung des Namens „Latrun“ alle Ehre. In der Kreuzfahrerzeit wurde die Festungsburg „Castellum Boni Latronis“ genannt, d. ?h. „Burg des guten Diebes“ (eigentlich „Straßenräubers“). Damit sollte wohl ein Zusammenhang hergestellt werden mit einem der Männer, die man zeitgleich mit Jesus kreuzigte. Im Todeskampf tat er Buße, und Jesus versprach ihm daraufhin das Paradies (Lk. 23,40-43). Auch uns, seinen Nachfolgern, gilt der Auftrag, Gottes Angebot der Umkehr zu ihm in einer feindlichen Umwelt zu verkündigen. Dadurch wird Versöhnung möglich.
Nicht weit von Latrun befindet sich der archäologische Park „Emmaus-Nikopolis“ (Lk. 24,13-35). In der christlich-byzantinischen Periode wurde ein großer Kirchenkomplex errichtet. Die Ruinen geben eindrucksvoll ein stilles Zeugnis davon, dass auch schon früher Menschen wie Kleopas, einer der Emmaus-Jünger (Lk. 24,18), im Ayalon-Tal in Versöhnung mit Gott gelebt haben.

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