Von Jurek Schulz
Als die „kaiserliche“ Stadt von den Römern gegründet, verschwand sie nach rund sechs Jahrhunderten der Blüte als römische Metropole, einer eher kurzen Episode als Bischofssitz und als Hafen der Kreuzfahrer in der Bedeutungslosigkeit.
Bereits im 3. Jahrhundert v. Chr. ist an diesem Ort eine kleine phönizische Hafenanlage mit dem Namen „Stratons Turm“ belegt. Straton, griechisch für „Diener der Astarte“, war der Name eines sidonischen Königs.
Die römische Epoche begann, als Pompejus 66 v. Chr. Israel eroberte. Später erhielt Herodes der Große (63–4 v. Chr.) den Ort von Kaiser Augustus. Er erbaute die völlig neue römische Stadt in rund zwölf Jahren und nannte sie zu Ehren des Kaisers (= Cäsar) Cäsarea. Sie wurde das Hauptquartier der in den Provinzen stationierten Legionen und Sitz der römischen Präfekten, der Verwalter von Judäa (Apg. 23–26).
Die Stadt wuchs auf 125 000 Einwohner an. Zwei Aquädukte brachten Trinkwasser aus bis zu 13 Kilometern Entfernung. Das Amphitheater, der Königspalast, der Tempel und der Hafen waren architektonische Meisterleistungen.
Archäologische Sensation
Fasziniert war ich, als ich vor einigen Jahren in Cäsarea vor einem Stein stand, auf dem der Name „Pontius Pilatus“ zu lesen war. Dieser war von dem Forscherteam um Antonio Frova 1961 entdeckt und die Inschrift auf die Zeit 26–31 n. Chr. datiert worden. Somit existiert neben den biblischen Belegen (Mt. 27,2.13.17 usw.) auch ein wichtiges historisches Zeugnis über diesen „Präfekten von Judäa“. Er war der Statthalter von Kaiser Tiberius
(42 v. Chr. – 37 n. Chr.). Seine Regierungszeit von 26–36 n. Chr. ist auch von anderen außerbiblischen Historikern belegt: Josephus Flavius (ca. 38–100 n. Chr.), Tacitus (ca. 58–120 n. Chr.) und Philo von Alexandrien (ca. 15 v. Chr. – 40 n. Chr.). Dieser „Römer Pontius Pilatus“ ist in der christlichen Kirche vor allem im „apostolischen Glaubensbekenntnis“ lebendig geblieben: „Jesus Christus, (…) gelitten unter Pontius Pilatus“.
Die ersten Gläubigen
Eigentlich war dieser Ort für jüdische Menschen ein Ärgernis. Man ging nicht in die Stadt der Besatzer (Apg. 10,28). Es bedurfte des außerordentlichen Wirkens Gottes, dass Petrus bereit wurde, den römischen Hauptmann Cornelius in Cäsarea zu besuchen. Dort erlebte er das Wunder, wie dieser zur Erkenntnis kam, dass Jesus der Christus ist. Petrus durfte ihn in Cäsarea taufen
(Apg. 10,1 ff.).
Von dem Evangelisten Philippus wird berichtet, wie er in dieser Stadt das Evangelium bezeugte und später mit seinen vier Töchtern in Cäsarea wohnte (Apg. 21,8 ff. u.a.). Es entstand eine Hausgemeinde, zu der Agabus gehörte, der die Gefangennahme von Paulus prophetisch vorausgesehen hatte (Apg. 21,10 ff.). Paulus war auch öfters in dieser Stadt und erlebte später sogar zwei Jahre Gefangenschaft (Apg. 23,23 ff.).
Durch die Begebenheiten in Cäsarea wird das Bibelwort deutlich: „In Wahrheit begreife ich, dass Gott die Person nicht ansieht, sondern dass in jedem Volk derjenige ihm angenehm ist, der ihn fürchtet und Gerechtigkeit übt!“ (Apg. 10,34-35).
Aufstand
Der jüdische Krieg (66–70 n. Chr.) nahm in dieser Stadt seinen Anfang durch die Auseinandersetzungen zwischen Juden und Römern. Der spätere Kaiser Vespasian (9–79 n. Chr.) ließ sich in dieser römischen Kolonie zum Kaiser ausrufen (69 n. Chr.).
Der letzte große geistige Führer der Juden, Rabbi Akiba (ca. 50–135 n. Chr.) wurde nach der Zerstörung Jerusalems (70 n. Chr.) und der Zerschlagung des jüdischen Aufstands (132–135 n. Chr.) in Cäsarea grausam zu Tode gefoltert. Er sammelte die jüdischen Schriften (Mischna) und trug zur Kanonisierung der hebräischen Bibel (AT) bei.
Bischofssitz
Die Stadt wurde ab dem 2. Jahrhundert zum Bischofssitz. Später ließ sich der ers-te Kirchenhistoriker, Eusebius von Cäsarea (ca. 260–339 n. Chr.), hier nieder.
Durch die Kreuzfahrer, die den Hafen im Jahr 1101 wieder ausbauten, erlebte Cäsarea eine erneute Blüte. Doch unter den Mamelucken und später unter den Arabern, die die Stadt zerstörten, versandete der ganze Landstrich und wurde unbewohnt. Erst als die Osmanen im 19. Jahrhundert muslimische Flüchtlinge aus Bosnien ansiedelten, begannen die-se auf dem alten Gebiet von Cäsarea eine bescheidene Existenz aufzubauen. Mit der Errichtung des jüdischen Kibbuz Sedot Yam 1940 begann eine weitere umfangreichere Besiedlung des Landstrichs um Cäsarea herum.
Besuchertipp: Pferderennbahn und Amphitheater, in dem regelmäßig Konzerte stattfinden, die aufgrund der Kulisse ein einzigartiges Erlebnis sind.