Bruchim Habaim – herzlich willkommen

Von Jurek Schulz

Im Rahmen unseres Israel-ABCs muss beim „I“ natürlich das „Iwrith“, die moderne hebräische Sprache, berücksichtigt werden.
Die Wiederbelebung dieser Sprache ist eines der Wunder unserer Zeit. Wie kam es zur „Auferstehung“ dieser über 3000 Jahre alten Sprache der biblischen Könige, Priester und Propheten? Wie ein Märchen klingt die Tatsache, dass Iwrith heute nicht nur erste Amtssprache in Israel, sondern auch wieder Muttersprache ist. Seit der Zerstörung Jerusalems (70 n. Chr.) und der Zerstreuung der Juden über den ganzen Erdball war Hebräisch gänzlich keine Alltagssprache mehr und wurde nahezu ausschließlich im religiösen Bereich gepflegt. In den Synagogen und Talmudschulen wurde Hebräisch von den Gelehrten für das Studium der religiösen Literatur von Generation zu Generation weitervermittelt. Da es aber nicht mehr die gemeinsame Umgangssprache eines Volkes war, bedurfte es in der Tat eines Wunders, wenn Hebräisch wieder Bestandteil des Alltags werden sollte. Schließlich galt es, eine „tote“ Sprache aufzuerwecken und für das Leben heute weiter zu entwickeln, um sich zum Beispiel eine Tasse Kaffee bestellen zu können.

Elieser Jizchak Perlman
Zu den jüdischen Kreisen um 1880 in Paris gehörten viele Künstler, Dichter und Philosophen, die so arm waren, dass sie sich kaum eine warme Mahlzeit leisten konnten. Unter ihnen befand sich ein 21-jähriger lungenkranker Medizinstudent, Elieser Jizchak Perlman (1858-1922). Ein Sohn orthodoxer Juden, war er 1871 wegen der Diskriminierungen in seiner Heimat Litauen, das damals zum russischen Reich gehörte, ausgewandert. Aufgrund einer schweren Tuberkulose blieb er zeit seines Lebens körperlich geschwächt. In Paris lag der Geruch von Freiheit und Gleichheit aller Menschen in der Luft. Die Tendenz der politischen Entwicklungen in ganz Europa verhieß jedoch nichts Gutes, und so keimte in ihm der Gedanke auf, dass sich alle Juden ihre Freiheit und ihre Gleichberechtigung überall erkämpfen sollten. Durch den politischen Zionismus, der zu diesem Zeitpunkt zunehmend Gestalt annahm, erwachte überall die Sehnsucht, in das Land der Väter zurückzukehren. Gleichzeitig gelangte er zu der tiefen Erkenntnis, dass sein Volk in der alten Heimat wieder eine gemeinsame Sprache brauchte. Er begann Zeitungsartikel unter dem Pseudonym „Elieser Ben Yehuda“ zu verfassen, in denen er für die Erhebung der hebräischen Sprache zur gemeinsamen Muttersprache Israels eintrat. Als er 1881 mit seiner Frau Debora in das Land der Väter kam, nahm er ihr ein recht ungewöhnliches Versprechen ab: In ihrem neu zu gründenden Heim sollte niemals eine andere Sprache gesprochen werden als Hebräisch. Dieser Bitte nachzukommen, war kein leichtes Unterfangen, denn Debora war, wie Perlman auch, in Osteuropa aufgewachsen und erst noch dabei, Hebräisch zu erlernen. Dennoch willigte sie ein. Sie brachte fünf Kinder zur Welt, für die Hebräisch zur Muttersprache wurde. Damit wurde die Familie Ben Yehuda die erste Familie seit der Spätantike, in der nichts anderes als Hebräisch gesprochen wurde. Den Lebensunterhalt für sich und seine Familie verdiente Ben Yehuda als Hebräischlehrer und Herausgeber einer hebräischen Zeitung, die später täglich erschien.

Der schwere Kampf
Für die Ultraorthodoxen war es undenkbar, die „heilige“ Sprache Hebräisch für alltägliche Unterhaltungen zu missbrauchen. Noch heute kommunizieren zahlreiche chassidische Orthodoxe im Alltag ausschließlich auf Jiddisch. Durch sie musste Ben Yehuda bösartige Angriffe erleben – bis dahin, dass er sogar aufgrund falscher Anschuldigungen von der osmanischen Regierung ins Gefängnis gesperrt wurde. Dank des internationalen Drucks jedoch entließ man ihn nach einem Jahr wieder.
Doch Ben Yehuda hatte bereits eine Welle ausgelöst, die nun nicht mehr aufgehalten werden konnte. Immer mehr zionistische Neueinwanderer entschieden sich, ausschließlich Hebräisch zu sprechen, so dass die „alt-neue“ Sprache zunehmend die Gassen Jerusalems erfüllte. Trotz seines schlechten Gesundheitszustands arbeitete er bis zu seinem Tod bis zu 18 Stunden täglich. Er schuf unter anderem das erste hebräische Wörterbuch, das 1910 in sechs Bänden in der „Langenscheidtschen Verlagsbuchhandlung“ in Berlin herausgegeben wurde.
Drei Wochen vor seinem Tod gelang es Ben Yehuda, den nunmehr für Palästina verantwortlichen britischen Hochkommissar dazu zu bewegen, Hebräisch als offizielle Amtssprache zuzulassen, was am 29. November 1922 tatsächlich geschah. Heute ist Elieser Ben Yehuda als „Vater des modernen Hebräisch“ nahezu vergessen. Sein Lebenswerk jedoch, das bisher einmalige Phänomen einer ausgestorbenen und wiedererstandenen Muttersprache, wurde zum gemeinsamen Band für ein in alle Himmelsrichtungen zerstreutes Volk und stößt weltweit auf ungebrochenes Interesse

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